Westlich des Jordans – südlich des Hermon. Überleben in einem besetzten Land. Zeitglocke. Stand by.
Die Zeit wird zum Raum, umgibt uns wie eine transparente Gummizelle. Mit jedem Schritt dehnt sie sich aus, widerspenstig, schnellt zurück. Zurückgeworfen auf die eigenen Sinne. Das Rascheln der trockenen Bambusblätter. Von Ferne das unregelmäßige Rauschen der Brandung, wenn sie Gischt sprühend auf die Felsen klatscht. Stille. Und die lastende Trägheit der Hitze ringsum.
Eine Zwanzigjährige mit verfilzten Locken, dunklem Wollpullover und grüngrauer Jogginghose auf dem Mauervorsprung am Eingang zum Kellergewölbe, weitab vom Haupthaus. Die Strahlen der Nachmittagssonne durchbrechen den Bambusstrauch und streifen ihr Profil. Das satte Klacken einer Spiegelreflexkamera. Die Hockende öffnet die Augen und der Fremde verschwindet mit ihrem Bild.
Habe ich heute schon geduscht? Vermutlich nicht, in diesen Tagen sind zu viele Touristen unterwegs auf dem Gelände. Auf dem kalten Gemäuer ein Stapel Papier “Hebräisch für Anfänger”. Wenn der Geist beschäftigt ist, weitet sich der Raum und die Zeit beginnt wieder zu fließen.
Das Informationsangebot beschränkt sich auf das unmittelbar Gegenwärtige. Morgens ein Schnellboot der israelischen Marine, das hinter den Kreidefelsen von Rosh HaNiqra in den Küstengewässern des Libanon verschwindet. Nachmittags fährt es in die andere Richtung nach Haifa zurück.
Bei Qiryat Shmona, nur einen Steinwurf von der libanesischen Grenze entfernt, soll es Scharmützel gegeben haben. Aber das war an einem anderen Tag vor dieser Zeit, als ich von Achziv zum Kibbuz Misgav Am aufgebrochen bin, um einen ehemaligen Mitschüler zu besuchen, der dort anzutreffen sei oder anzutreffen gewesen sei. Der schöne Emilio war schon wieder fort, aber ich hörte von den Schießereien an der Grenze und fragte mich, ob eine versicherte Rückführung im Todesfall nicht doch eine gute Idee gewesen wäre.