Bierland Bayern. UNESCO-Weltkulturerbe. Tradition und Chauvinismus.
“Bierland Bayern” soll Weltkulturerbe werden – wenn es nach dem Willen des Münchner Vereins “Bier Und Wir” geht, allen voran der emeritierte Mainzer Professor für Kommunikationswissenschaft Horst Wurm. Dabei gehe es um “die Symbiose von Bier und der bayerischen Kulturgesellschaft, die sich” – so Wurm – “kombiniert zu einem Alleinstellungsmerkmal entwickelt haben”.
So einzigartig sind die Bayern mit ihrem “Alleinstellungsmerkmal” allerdings nicht, auch rheinabwärts lässt sich die Symbiose von Bier und Kulturgesellschaft – verstanden als gesellschaftliche Bräuche, Rituale und Feste – beobachten. Köln zum Beispiel ist ohne Kölsch nicht denkbar und auch nicht ohne Karneval. “Session” steht für die Symbiose von Kölsch und Karneval und wer in Köln was wird, hat beim Kölsch geklüngelt. Und wer was ist als Mann, darf auch im Karnevalsverein mitreden. In Kölns erster Karnevalsgesellschaft dürfen das seit 2021 sogar Frauen – in vielen anderen Traditionsvereinen noch immer nicht, so will es nun einmal die Tradition.
Dabei ist der rheinische Karneval als traditionelles Brauchtum mit “starker integrativer Kraft” seit 2014 immaterielles Weltkulturerbe. Seit 1996 zählt auch der Kölner Dom zum UNESCO-Welterbe. Allerdings nicht nur als Meisterwerk und krönender Abschluss der gotischen Architektur, sondern auch als Zeugnis “beständige[r] Stärke des christlichen Glaubens im mittelalterlichen und modernen Europa” und als Ort für die “Entfaltung lebendiger Traditionen”. Weil nämlich – hier schließt sich der Kreis – die Kölner Karnevalsorden den Segen für eine friedliche Session traditionell von den Domherren erhalten.
Was den Freistaat Bayern angesichts eines derart übermächtigen rheinländischen Weltkulturerbes so besonders macht, hat Markus Söder kürzlich mit den Worten “Hitech und Heimat” umschrieben. Was sagt uns das? Laptop und Lederhose? SUV und Suff? In einem Land, wo Bier als Grundnahrungsmittel zählt, bringt das Oktoberfest Saufen als kulturellen Ausdruck eines Volkes auf den Punkt?
Fressen, Saufen, Kuttelkitzeln ist nicht nur die Essenz des Exportartikels Oktoberfest. Als symptomatisch können jene tolldreisten Bajuwaren gelten, die sich nicht genierten, das komplette Feld eines Spenden-Radmarathons zu stoppen, um sich in aller Seelenruhe breitbeinig an den Hang zu stellen. Hoch die Heberl – fertig – los! Irgendwo muss das ganze Bier ja schließlich hin. Keine Rede davon, dass die letzte Verpflegungsstation erst 5 km zuvor passiert wurde. Der Streckenposten ist der Spezl vom Hansi und der gibt die Strecke erst frei, als alle Mannsbuider ihre Stierbeitl wieder auf der Kette haben.
Bag mas! Mia san mia!