Cara amica, ti scrivo, così mi distraggo un po’ / E siccome sei molto lontano, più forte ti scriverò …
Die Mails sind beim Systemwechsel alle verloren gegangen und mit dem alten Linux-Rechner verschrottet. Aber achtunddreißig handgeschriebene Briefe und Postkarten aus den Jahren 1989 bis 2005 haben überdauert: aufgegeben oder mit Zieladresse in Marburg, Florenz, Venedig, Eckenhagen, Thailand, Leipzig, Lüneburg, Offenbach, Göttingen, Augsburg, Soller und Speyer.
Einer der ersten Briefe ist das Transkript einer sinnfreien Geschichte, die wir aus lauter Langeweile während einer Romanistik-Vorlesung zusammengekritzelt haben. Rund um den Turm der “Phil-Fak” tobte ein dichter Schneesturm und der Maestro spulte sein monotones Gefasel ab, die Stuhlbeine wie eine Krake mit seinen Beinen fest umschlingend. Ich habe die Szene deutlich vor Augen, das Fenster zerbirst, die eindringende Schneeflocke umtanzt mein Auge mit dem Versprechen eines zauberhaften Augenblicks … Cielo, jetzt bloß nicht aufschauen …
Andere Briefe berichten von Stipendiatinnen in Venedig und ihrer Verzweiflung ob des immensen Lesepensums für die nächste Prüfung, von der Erleichterung anlässlich des negativen Befundes nach der ersten OP und von der Angst vor Einbrechern im Haus deiner Eltern, der du trotz schlimmer Grippe erfolgreich mit Alkohol und Händel entgegengetreten bist. Sie sprechen von Enttäuschungen, sie insistieren auf Dingen, die ich längst aus meinem Bewusstsein getilgt habe und sie zeugen von der unermüdlichen Bereitschaft, unsere Freundschaft auch in schwierigen Zeiten aufrechtzuerhalten. Vieles habe ich seinerzeit wohl anders – oder manchmal gar nicht – gesehen …
Deiner Bitte zu entsprechen und während meines Aufenthaltes in Florenz T. einen Besuch abzustatten, habe ich mich damals nicht getraut. Jahre später ist er in A. gewesen, allein und etwas abseits stehend, deine Asche eingezwängt zwischen Steinen und Gräbern im Planquadrat der Ewigkeit, und als ein Sonnenstrahl durch die nackten Zweige brach, ist er gegangen.
Cara amica, hast du mir mal geschrieben, sono tristissima quando passo per Weidenhausen e l’unica volta che sono stata nel “Degass” avrei potuto piangere!
Piangete, amanti, poichè piange Amore -