Ain’t no fun when the rabbit got the gun. Chronologie einer toxischen Invasion.
Multiresistente Keime sind ein Problem in Krankenhäusern, wo sie an Kathetern kleben und für geschwächte Patienten eine Gefahr darstellen. Im gewöhnlichen Alltag sind sie nicht von Bedeutung. Dachte ich.
Panton-Valentine-Leukozidin(PVL)-produzierende Staphylococcus-aureus(PVL-SA)-Stämme sind häufig mit großen, rezidivierenden Abszessen bei sonst gesunden jungen Menschen assoziiert. Die typische klinische Präsentation, die empfohlene Diagnostik und Therapie sind bislang wenig bekannt.
Deutsches Ärzteblatt, 119, 2022
Bis mich ein MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus), der im weiteren Krankheitsverlauf noch dazu als PVL-positiv decouvriert wurde, erst aus dem Sattel und dann von den Beinen holte. Drei Monate, drei Einschusslöcher und zahlreiche Notfallambulanzen später weiß ich, dass ein in “freier Wildbahn” (community acquired) erworbener CA-MRSA um einiges aggressiver und unberechenbarer ist als der gefürchtete “Krankenhauskeim”. Ich habe herausgefunden, dass in Georgien schon seit hundert Jahren Bakteriophagen auf Keime angesetzt werden, dass man sie heute in Tiflis patientenspezifisch züchtet und sehr erfolgreich bei Multiresistenzen einsetzt. Nur dass das hierzulande kaum jemand weiß.
Pechfaktorn
Warum ich? Ich gehöre nicht zu den Risikopatienten mit Diabetes mellitus, ich hatte im letzten halben Jahr keinen Kontakt zu Alten- oder Pflegeheimbewohner, ich war nicht im Krankenhaus und habe seit Ewigkeiten keine Antibiotika-Therapie benötigt. Auch mit Schweinen habe ich nichts zu tun, jedenfalls nicht mit Mastschweinen. Mein Immunsystem ist intakt. Ich war noch nie in den USA und erst recht nicht in Asien auf Reisen. Ich war bloß Radfahren in Österreich und Italien.
Ein gesellschaftsrelevantes Bedrohungspotential hat zwar die Gattung Staphylococcus, aber nicht wegen der Resistenz gegen Antibiotika, sondern wegen der Bereitschaft von Staphylokkenstämmen, ihre Aggressivität über die Toxinproduktion zu erhöhen. Aktuelles Beispiel ist der sogenannte „c-MRSA“ (community-acquired MRSA), der sich dadurch auszeichnet, dass er Toxine produziert (PVL) und damit besonders virulent und aggressiv wird. Die Infektion ist aber nicht aus Liquor oder Blut, sondern aus Weichteilgeweben nachweisbar. Hierzu sind schwerste, auch tödliche Verläufe in der Literatur beschrieben, die insbesondere junge und gesunde Personen betreffen.
Stellungnahme der Bundesärztekammer, 2008
“Einfach Pech gehabt”, sagt einer der Ärzte, der zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht an PVL gedacht hat. Im Gegensatz zu den meisten anderen EU-Staaten ist der MRSA-Nachweis in Blut und Liquor in Deutschland seit 2009 meldepflichtig. Die Fallzahlen sind seit Jahren rückläufig, die Statistik des RKI meldet für das laufende Jahr 825 Fälle deutschlandweit. Das infektiologische Geschehen scheint unter Kontrolle: 825 Fälle eines im Krankenhaus erworbenen MRSA sind rund 0,001 % der Gesamtbevölkerung (und wieviel Prozent der im Krankenhaus behandelten Patienten?). Ein hoher Pechfaktor.
Doch die Zahlen sagen nichts über die Verbreitung des CA-MRSA in der Gesamtbevölkerung aus. Ein PVL-positiver MRSA ist in der Regel nur im Wundabstrich nachweisbar, dieser wird aber von der Meldepflicht nicht erfasst. Die Bundesärztekammer hält den Ausschluss von Wundabstrichen von der Meldepflicht in ihrer Stellungnahme 2008 daher auch für falsch, da gerade dieser Bakterienstamm aufgrund seiner Virulenz ein gesellschaftliches Bedrohungspotenzial darstelle.
Wie hoch wäre der Pechfaktor tatsächlich?
In Wahrheit progredient
Aber von vorne: Als ich in der Hausarztpraxis vorstellig werde, ist die Entzündung so weit fortgeschritten, dass ich sofort in die Notfallambulanz Nr. 1 eingewiesen werde. Dort wird ohne Betäubung (O-Ton “Bringt ja nichts”) ein tiefer Schnitt in die Vulva gemacht und eine Drainage eingelegt. Als drei Tage später keine Besserung eingetreten ist und das Laborergebnis einen MRSA nachweist, schickt man mich sofort weiter ins Krankenhaus Nr. 2.
Dort wird nicht lange gefackelt. Drei Ärzte mit Mundschutz und Schutzkittel begutachten die fortgeschrittene Infektion, fragen nach Fieber oder Schüttelfrost (Anzeichen einer Sepsis, die als schwerwiegenden Komplikation auftreten kann) und entscheiden auf umgehende Operation unter Vollnarkose. Alle Höhlen werden gesäubert, totes Gewebe wird großzügig herausgeschnitten und in die tiefe Wunde wird erneut eine Drainage eingelegt, damit sie außen offen bleibt und von innen heraus heilen kann. Am späten Abend darf ich wieder nach Hause und dank täglichem ambulanten Drainage-Wechsel heilt die Wunde rasch und komplikationslos. Ich atme auf.
Gib mir ein Gegengift!
Am vorletzten Tag meiner AU fühle ich mich prima und gehe wieder laufen. War es das feine Haar des Eichenprozessionsspinners? Der kaum sichtbare juckende Einstich wächst sich über Nacht zu einem zweiten Abszess aus. Die Hausärztin schickt mich in das näher gelegene Krankenhaus Nr. 3, wo der Oberarzt als Therapie feuchte Kompressen und zwei Kontrolltermine wöchentlich anordnet. Skepsis gegenüber seiner Tauf-Therapie nimmt er persönlich. Ich füge mich.
Drei Tage später glaubt der Assistenzarzt noch immer an einen regredienten Verlauf. Mit einem schwarzen Edding markiert er die Größe der Entzündung und bestellt mich für den darauffolgenden Montag ein. Noch während ich auf dem Nachhauseweg bin, meldet er sich telefonisch und fragt, ob ich eigentlich wüsste, dass der MRSA PVL-positiv sei. Nein, das wusste ich nicht. Und was bedeutet das?
Wir sehen aktuell in unseren Daten keine signifikante Zunahme oder Verbreitung bestimmter Community-assoziierter MRSA-Klone in Deutschland. Auffällig ist aber der gehäufte Nachweis bisher eher seltener klonaler Linien Community-assoziierter MRSA.
RKI, 2021
Am Wochenende lese ich alles, was ich darüber finden kann, derweil das Bakterium sich durch mein Fleisch beißt wie eine giftige Schlange: In Deutschland ist MRSA seit 2009 auch außerhalb von Krankenhäusern als Erreger in Erscheinung getreten, und zwar als PVL-exprimierender Stamm, der refraktäre (nicht beeinflussbare) schwere Verläufe verursacht. Wie macht er das? Er bildet ein Toxin – das Panton-Valentin-Leukozidin – das zuerst die körpereigene Immunabwehr der umliegenden Zellen außer Kraft setzt und dann die Zellen zerstört. Gegen Gift ist jedes Immunsystem machtlos. Das Killer-Bakterium mit Tarnkappe frisst sich immer tiefer in das weiche Gewebe und bildet Höhlen und Gänge, was höllisch weh tut. Man muss es wissen oder PVL zumindest vermuten, wenn die typischen Risikofaktoren nicht greifen.
Am Montag im selben Krankenhaus wird die nächste Abszessspaltung unter Vollnarkose angeordnet, die zweite innerhalb von zwei Wochen. Der Assistenzarzt der Vorwoche ist bei einer anderen OP, der Baptistenprediger lässt sich lieber nicht blicken. Die diensthabende Ärztin der Notfall-Ambulanz muss erst nachlesen, was es mit diesem “komischen Erreger” auf sich hat. Ich habe Angst.
Mein Sonderstatus als MRSA-Trägerin verschafft mir immerhin ein Einzelzimmer auf Station. Mehr Isolationshaft geht allerdings nicht: Das Zimmer darf ich nicht verlassen, zum Lesen habe ich nichts dabei und das Handy ist tiefentladen. Die erhöhten Hygieneanforderungen machen sich auch durch ein längeres Rascheln vor der Zimmertür bemerkbar, wenn Pflegepersonal und Ärzte vor jedem Kontakt die vorgeschriebene Schutzkleidung aus Kittel, Mundschutz und Haube anlegen.
Mit einem Loch von etwa 3 x 2 x 2,5 cm etwas unterhalb der linksseitigen Gesäßfalte werde ich am nächsten Tag entlassen. Das Loch muss jeden Tag dreimal gründlich ausgespült, mit einer frischen Drainage gefüllt und abgeklebt werden. Ein Horror vacui in meinem eigenen Fleisch. Der Markknochen vom Jungbullen in der Edeka Fleischauslage sieht gesünder aus. “Augen zu und durch”, sagt die Hausärztin, als ich erschrocken und für den Notfall einer Beinamputation gerüstet, vor dem ausgemachten Termin in der Praxis erscheine.
Dekolonisation – Eradierung – Sanierung
Die Sorge um die Wundheilung ist jedoch nur ein Teil des Problems. Solange der Keim im Nasenvorhof nachweisbar ist, besteht das Risiko eines weiteren Ausbruchs. Eine so genannte “Sanierung” soll dem Keim den Garaus machen. Also wasche ich mich sieben Tage lang täglich mit einer schlecht riechenden, desinfizierenden Lotion, benutze Nasensalbe und Rachenspülung, um den Keim von meinem Körper zu verbannen. Ich wechsele täglich die komplette Kleidung, alle Handtücher, Geschirrtücher und Wischlappen und alle zwei Tage die Bettwäsche. Ich habe täglich eine Waschmaschine voll Wäsche, die bei mindestens 60° gewaschen werden muss. Ich besorge mir ein zertifiziertes Waschmittel von der VAH-Liste, das mit einem dicken Ausrufezeichen als Biozid gekennzeichnet ist. Ich wasche damit meine teuren Radhosen bei 60° und habe trotzdem Bedenken, dass nicht alle Keime abgetötet werden. Dieses Jahr werde ich sie nicht mehr brauchen. Nächstes Jahr werde ich sie vermutlich wegwerfen. Ich ziehe nur noch Sachen an, bei denen es egal ist, ob sie die 90°-Wäsche überstehen und hoffe, dass mich niemand sieht, wenn ich möglichst unbemerkt durch’s Treppenhaus schleiche. Die Zahnbürste schmeiße ich nach jedem Zähneputzen in den Mülleimer. Ich habe Körperpflegeprodukte im Wert von mehreren 100 Euro weggeworfen, weil ich vor der Diagnose mit den Fingern dran war. Alltägliche Handgriffe sind kompliziert geworden, weil ich nach der Körperwaschung nur Dinge anfassen darf, die bereits desinfiziert sind. Ich spüle, putze und desinfiziere täglich alles, was ich berühre. Mehrmals täglich.
Der Krieg geht weiter
Die Sanierung schlägt fehl. Die Hausärztin spricht mir auf die Mailbox und fordert eine sofortige Wiederaufnahme der Sanierungsmaßnahmen. Wieder landen alle neu angeschafften Pflegeprodukte und Kosmetika im Mülleimer. Drei Tage später will sie davon nichts mehr wissen. Behauptet, dass jeder Sanierungsversuch scheitern muss, solange ich eine offene Wunde habe. Cave!: Solange der Keim auf der Haut ist, wird er Abszesse verursachen. Den circulus vitiosus sieht sie nicht.
Kaum folge ich der ärztlichen Anweisung, entstehen zwei neue Satellitenbläschen knapp unterhalb der noch offenen Cavität. Beide erhalten sofort ein mit Betaisodona getränktes Pflaster, das Allheilmittel schlechthin in dieser Praxis. Die große Blase heilt ab, die kleine nicht. Die Hausärztin schaut dabei zu und hofft wohl, dass es schon nicht so schlimm werden wird.
Aber es kommt noch schlimmer. In Folge eines Mückenstiches platzt die subkutane Hülle des neu entstandenen Abszesses und die Infektion breitet sich in das umliegende Gewebe aus. “Das kann nicht passieren”, hat der Baptistenprediger gesagt. “Das wird nicht passieren”, hat die Vertretung der Hausärztin beschwichtigt. Es ist trotzdem passiert. Der rückseitige Oberschenkel wird innerhalb kürzester Zeit heiß und rot. Die Hausärztin überweist mich in die Notfallambulanz von Krankenhaus Nr. 2 und verabschiedet sich in den Urlaub.
Der Entlastungsschnitt im Krankenhaus durch die diensthabende Metzgerin – wie immer ohne lokale Betäubung – bringt nur kurzfristig Linderung. Die Wunde infiziert sich schnell und gründlich, der ganze rückseitige Oberschenkel pocht und kocht bis zur Kniekehle. Draußen gibt der Spätsommer noch einmal alles. Drinnen kühle ich unter Höllenqualen 48 Stunden nonstop. Woran erkenne ich eine beginnende Sepsis? Schaffe ich es im Falle von Fieber und Schüttelfrost überhaupt noch rechtzeitig ins Krankenhaus? Wer beurteilt, ob ich verwirrt bin? Bei einer Sepsis mit diesem Keim hätte ich schlechte Karten, die Mortalitätsrate liegt bei 30 %, da ist der Pechfaktor noch gar nicht einberechnet. Der Notfallkoffer steht griffbereit im Flur. Das wichtigste Utensil: der Laborbericht mit Antibiogramm des MRSA-Stammes, damit ich im Fall der Fälle sofort eines der wenigen noch wirksamen Reserve-Antibiotika bekomme.
Ein Fall für die MRSA-Forschung
“Da haben Sie aber Glück gehabt”, sagt die Vertretung der Hausärztin ein wenig pikiert, als ich von einem auf den anderen Tag einen Termin in der Dermatologie des UKM (Krankenhaus Nr. 4) bekomme und eine Einweisung verlange. “Ich habe beschrieben, wie es aussieht und was der MRSA sonst noch so gemacht hat in den letzten Wochen”, sage ich nachdrücklich. Ich bekomme die Einweisung und damit hoffentlich endlich ein Konzept, wie dieser Teufelskreis zu unterbrechen ist.
In der Dermatologie beeindruckt die brodelnde Entzündung mit zahlreichen Poren und Nekrosen Ärzte und Pfleger gleichermaßen. Der Assistenzärztin entfährt ein Ausruf des Erstaunens. In der ästhetischen Theorie des 18. Jahrhunderts hätte man von einer Empfindung des Erhabenen gesprochen, die bei der Betrachtung des Schrecklichen aus sicherer Entfernung sich einstellt, womit der Schrecken zu einem bloß visuellen wird. Kein schönes Landschaftsgemälde, das hier für die medizinische Forschung fotografisch dokumentiert wird. Aber der Ausflug hat sich gelohnt: Das Konzept der beratenden Ärzte und Infektiologen besteht in einer Radikaltherapie aus professionellem Wundmanagement, Antibiotika gemäß Antibiogramm und gleichzeitiger Sanierung. Bei erfolgloser Sanierung greift die nächste Eskalationsstufe mit zwei verschiedenen Antibiotika und erneutem Sanierungsversuch. Eine Wund(er)tüte mit professionellen High-Tech-Wundauflagen, Wundspülung und Kompressen bekomme ich mit auf den Weg.
Die zwei Wochen bis zum nächsten Kontrolltermin verbringe ich mit Waschen, Desinfizieren der Wohnung und Wundpflege. Täglich – auch am Wochenende – wird die Wunde in der Hausarztpraxis durchgespült und neu verbunden. Endlich, nach einer Woche zähen Ringens, stellt sich eine Besserung ein. Es folgt ein erster Tag ohne Schmerzmittel-Volldröhnung und wie durch ein Wunder heilt die Wunde beinahe so rasant, wie sie sich zuvor entzündet hat. Einen solchen Verlauf hat sie in 20 Jahren Wundpflege noch nie gesehen, sagt die Medizinische Fachangestellte.
Phagen jagen in Georgien
Die Lösung im Kampf gegen multiresistente Keime könnte so einfach sein: Mit Bakteriophagen (Viren), die bestimmte Bakterien gezielt angreifen und zerstören können. In Georgien werden schon seit über hundert Jahren Bakteriophagen sehr erfolgreich bei Infektionen eingesetzt. Am staatlichen Eliava-Institut in Tiflis beispielsweise ließ die gesamte Sowjet-Armee ihre Soldaten mit Phagen, oft auch vorbeugend etwa gegen Darminfektionen behandeln. Das Phage-Therapy-Centers in Tiflis züchtet Bakteriophagen patientenspezifisch und ist heute das einzige Krankenhaus, das auch ausländischen Patienten eine Phagentherapie ermöglicht. Der rettende Ausweg, wenn bei schwerwiegenden Infektionen die letzten Reserve-Antibiotika versagen.
Um eine breitere, vielfältigere Entwicklung von Phagenprodukten mit Marktzulassung als bisher zu fördern bzw. zu ermöglichen, dürften daher sowohl Anpassungen im europäischen Regulierungsrahmen als auch wirtschaftliche Anreizregelungen für neue antimikrobielle Medikamente erforderlich sein.
Bericht des Ausschusses für TA, 19.07.2023
In den westlichen Ländern hingegen gibt es bislang keine zugelassenen Phagen-Medikamente, die Therapie mit Bakteriophagen ist nur im Rahmen von Studien oder als Einzelfallbehandlung möglich. Immerhin hat sich der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages in diesem Sommer mit dem Thema auseinandergesetzt und einen Bericht zu den Anwendungsperspektiven von Bakteriophagen in Deutschland vorgelegt. Der Ausschuss kommt zu dem Schluss, dass es hauptsächlich mehr regulatorische Flexibilität sowie wirtschaftliche Anreize braucht, um die vielversprechende Phagentherapie hierzulande zu etablieren.
Mehr Phagen wagen
Hätte man mir gleich einen Phagencocktail gereicht, wären mir mit Sicherheit zwei von drei Monaten Arbeitsunfähigkeit, Höllenschmerzen, eine Wundinfektion, zwei große Narben und eine drohende Sepsis erspart geblieben.
Aber auch ohne Phagentherapie hätte mehr Aufklärung bei den behandelnden Ärzten hinsichtlich der Bedeutung des PVL-Toxins den Krankheitsverlauf deutlich verkürzen können. Denn der Laborbericht stand relativ früh zur Verfügung – bloß fehlte offensichtlich das Bewusstsein für die hohe Virulenz des PVL sowie der Erfahrungsschatz für eine angemessene Therapie.
Wo ich mir den Keim geholt habe, lässt sich nicht mehr rückverfolgen. Da ich weder in den USA noch in Südostasien gewesen bin und auch sonst keinen Risikofaktor beansprucht habe, kommt praktisch jede Türklinke in Frage. Auch die Klimaanlage in Bozen, die die ganze Nacht gelaufen ist, weil es draußen so schwül und windstill war. Oder der Griff der Toilettentür im überfüllten ICE nach Ulm.
You better not touch.
Weiterführende Links:
Deutsches Ärzteblatt, Nr. 119, 2022
RKI, Epidemiologisches Bulletin, Nr. 39, 28.09.2023
RKI, Ratgeber Staphylokokken
Dekolonisationsmaßnahmen bei Besiedlung mit PVL-positiven Staphylokokken, Charité, Berlin 2019
Bericht zur Technikfolgenabschätzung von Bakteriophagen, Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages, 2023
Zur Phagentherapie nach Tiflis: Wenn Antibiotika nicht mehr helfen, Deutschlandfunk Kultur, 2019
Stellungnahme der Bundesärztekammer, 2008
Panton-Valentine-Leucozidin: Daran denken!, 2020
Weiterführende Informationen
Staphylococcus aureus ist nicht per se pathogen. In seiner Antibiotika-sensiblen Variante MSSA kommt er bei rund 30 % aller Menschen natürlicherweise auf der Schleimhaut des Nasen- und Rachenraums sowie auf der Haut vor. Erst durch den übermäßigen Einsatz von Antibiotika hat sich seit den 1960er Jahren der resistente MRSA rasch verbreitet. Er löst eine ganze Reihe klassischer “Krankenhausinfektionen” aus, wie etwa Wundinfektionen, Harnwegsinfektionen, Lungenentzündungen und Knochenentzündungen.
Der Community-acquired (in der Gemeinschaft erworbene) caMRSA unterscheidet sich sowohl hinsichtlich der Pathogenität, als auch der Virulenz und der Resistenz erheblich vom Krankenhauskeim (hospital-acquired) haMRSA.Im Vergleich zu den Krankenhaus-assoziierten MRSA-Epidemiestämmen besitzen caMRSA oft einen schmalen Resistenzphänotyp (Oxacillin allein oder zusätzlich ein bis zwei weitere Resistenzen). Die Gefährlichkeit dieses Stammes liegt daher weniger in seiner Multiresistenz als vielmehr in der Bildung des PVL genannten Toxins, das mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu Komplikationen führt, wie beispielsweise einer Sepsis, die dann aufgrund der Resistenzen schwieriger zu behandeln ist und in 30 % der Fälle tödlich verläuft. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Staphylokokken_MRSA.html#doc2373986bodyText3